Wenn Klienten und Klientinnen plötzlich verschwinden
Kennst du das Gefühl, wenn jemand plötzlich den Kontakt abbricht – ohne Vorwarnung, ohne Erklärung? Dieses Phänomen, bekannt als Ghosting, begegnet uns nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im Coaching. Ich selbst habe es erlebt: Klienten und Klientinnen, mit denen ich eine vertrauensvolle und produktive Zusammenarbeit aufgebaut hatte, sind von einem Tag auf den anderen verschwunden. Zunächst hinterließ das ein Gefühl der Unsicherheit – hatte ich etwas falsch gemacht? Doch mit der Zeit erkannte ich, dass Ghosting oft weniger mit uns als Coaches zu tun hat, sondern vielmehr ein Spiegel der inneren Konflikte unserer Klienten und Klientinnen ist. In diesem Beitrag teile ich meine Erfahrungen und gebe dir Tipps, wie du mit solchen Situationen umgehen kannst, ohne an dir selbst zu zweifeln.
Unbeantwortet und unsichtbar
Ghosting: Die stille Trennung im Coaching
Von Heike Hacke | Erschienen in der Zeitschrift Praxis Kommunikation 01 | 2025
Ghosting bezeichnet das plötzliche und unerklärliche Abbrechen der Kommunikation, ohne eine Erklärung zu geben – ein Phänomen, das mir bereits mit zwei Klienten passiert ist. Dazwischen lag ein etwas größerer zeitlicher Abstand. Beide Situationen kamen für mich völlig unerwartet, da ich das Gefühl hatte, wir wären auf einem guten Weg und hätten eine offene, produktive Kommunikation. Besonders überrascht hat es mich, dass die Klienten, mit denen ich regelmäßigen Austausch über WhatsApp und persönliche Treffen hatte, plötzlich den Kontakt komplett abbrachen. Es gab keine Anzeichen – und auf einmal hörte ich nichts mehr von ihnen.
Natürlich dachte ich im ersten Moment, ob es etwas mit mir zu tun hatte, ob ich vielleicht irgendetwas falsch gemacht hatte. Mit etwas Abstand und einer genaueren Betrachtung der Hintergründe wurde mir dann klar, dass es einen gemeinsamen Nenner bei diesen Klienten gab. Und dass dieser abrupte Kontaktabbruch durchaus zu den Mustern der beiden Klienten passte.
Zunächst schienen beide Fälle keine Gemeinsamkeiten zu haben. Doch bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass beide Klienten nicht bereit waren, sich ihren Themen wirklich zu stellen. Sie suchten zwar Unterstützung, waren jedoch nicht in der Lage, die unangenehmen Emotionen zu durchleben, die mit der Bearbeitung ihrer Probleme verbunden waren.
Zusammengefasst: Beide waren bis zu einem gewissen Punkt bereit, an sich zu arbeiten. Doch als es ernst wurde, fehlte ihnen der Mut, weiterzumachen. Bekannte und Freundinnen berichteten mir, dass die Klienten, die mich geghostet hatten, nach dem Abbruch des Coachings ihre alten Muster fortsetzten.
Es war für mich entscheidend, mich von der Vorstellung zu lösen, dass ich den Rückzug der Klienten selbst verursacht hatte. Natürlich haben die Themen, die wir im Coaching bearbeitet haben, etwas in ihnen „ausgelöst“, aber es lag nicht daran, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich musste mir bewusst machen, dass die Klienten einfach noch nicht bereit waren. Häufig liegt Ghosting weniger an uns Coaches, sondern spiegelt eher die inneren Konflikte, Ängste und Überforderungen der Klienten wider, die sich in schwierigen Momenten zurückziehen.
Mit diesem Beitrag möchte ich nicht nur meine Erfahrungen teilen, sondern auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Ghosting im Coaching nicht das Ende einer gescheiterten Beziehung bedeutet, sondern oft ein Zeichen für tiefere, noch nicht bearbeitete Themen ist.
Folgende Tipps können dir als Coach helfen, mit einem vollständigen Kontaktabbruch seitens deiner Klienten gut umzugehen:
1. Reflektiere deine Rolle im Coachingprozess
Gab es Anzeichen von Unbehagen oder Unsicherheit bei deinen Klienten? Vielleicht hast du subtile Hinweise übersehen, die auf ein mögliches Ghosting hindeuteten. Analysiere, ob deine Methoden oder Themen möglicherweise zu intensiv oder emotional überwältigend waren. Ein Austausch mit anderen Coaches kann dir helfen, diese Situationen besser zu verstehen und unterschiedliche Perspektiven zu erhalten. In manchen Fällen könnte es sinnvoll sein, deine Vorgehensweise anzupassen, um den Prozess für deine Klienten zugänglicher und weniger überfordernd zu gestalten.
2. Gefühle akzeptieren
Es ist vollkommen normal, verletzt oder enttäuscht zu sein, wenn Klienten sich zurückziehen. Gib dir die Erlaubnis, diese Emotionen zu empfinden, denn sie gehören zu unserem Beruf. Erkenne an, dass Ghosting manchmal einfach Teil des Prozesses ist. Klienten haben ihre eigenen Gründe, die häufig nichts mit dir zu tun haben. Diese Akzeptanz hilft dir, nicht an negativen Erfahrungen festzuhalten.
3. Offene Kommunikation
Falls das zu deiner Coachingart passt, sende eine freundliche, wertschätzende Nachricht, in der du nachfragst, wie es deinem Klienten oder deiner Klientin geht. Zeige Verständnis dafür, dass es manchmal schwierig sein kann, an einem Thema weiterzuarbeiten. Biete Unterstützung an. Lass deine Klienten wissen, dass du für sie da bist, falls sie bereit sind, die Arbeit fortzusetzen oder etwas zu besprechen.
4. Erwartungen klären
Stelle bei Beginn der Zusammenarbeit sicher, dass die Klienten verstehen, wie wichtig Kommunikation ist, auch wenn sie sich unwohl fühlen. Besprich, wie sie dir Bescheid geben können, wenn sie eine Pause brauchen oder nicht mehr weitermachen möchten, und fördere eine Atmosphäre, in der Klienten sich wohlfühlen, ehrlich über ihre Erfahrungen zu sprechen – auch wenn das bedeutet, dass sie nicht weiterarbeiten möchten.
5. Lerne aus der Erfahrung
Wenn du wie ich mehrere Klienten hast, die sich zurückziehen, schaue, ob es Muster gibt, die du erkennen kannst. Dies kann dir helfen, in Zukunft besser auf die Bedürfnisse deiner Klienten einzugehen und die Erwartungen klarer zu kommunizieren.
6. Persönliche Grenzen setzen
Bewahre eine gewisse emotionale Distanz. Während du empathisch und unterstützend bist, ist es wichtig, eine gewisse emotionale Distanz zu wahren, um nicht zu sehr in die Situation hineingezogen zu werden. Achte auf dein eigenes Wohlbefinden. Ghosting kann belastend sein, also finde Wege, um dich zu entspannen und neue Energie zu tanken.
Original-Artikel der Zeitschrift „Praxis Kommunikation“
Fazit: Ghosting als Teil des Prozesses verstehen
Ghosting kann schmerzhaft sein, aber es ist kein persönliches Versagen. Es zeigt oft, dass Klienten an einem Punkt angekommen sind, an dem sie (noch) nicht bereit sind, sich ihren Themen zu stellen. Deine Aufgabe als Coach ist es nicht, sie festzuhalten, sondern ihnen einen sicheren Raum zu bieten – und loszulassen, wenn sie diesen Raum (vorerst) nicht mehr betreten wollen.
Mein Tipp für dich: Sieh Ghosting als Teil des Entwicklungsprozesses. Es kann dir helfen, deine eigenen Coaching-Methoden zu reflektieren, klare Erwartungen zu setzen und deine persönliche Resilienz zu stärken. Und falls du ähnliche Erfahrungen gemacht hast, würde ich mich freuen, von dir zu hören! Schreib mir gerne eine Nachricht und teile deine Gedanken: